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Die Vögel der Wetterau – Gewinner und Verlierer

von Manfred Vogt, Limeshain

 

Gewinner und Verlierer gibt es in jedem Lebensbereich. Das ist uns hinlänglich bekannt. Leider mehren sich die Verlierer in der Natur – besonders in der Vogelwelt. Das ist leider auch in der Wetterau zu beobachten.

  

Was sind die Gründe hierfür? Diese sind vielfältig: Nahrungsmangel, Lebensraumverlust, Brutraumverlust und insbesondere in letzter Zeit die Überhandnahme von Prädatoren wie Waschbär und Mink, die einen katastrophalen Einfluss auf den Bestand, insbesondere von bodenbrütenden Arten haben. 

 

Wir leben in einer Welt voller Gegensätze. Auf der einen Seite die Hektik des Alltags mit einer immer stärkeren Technisierung und Digitalisierung des Lebens, einhergehend mit einem ungebrochenen Konsumverhalten und leider auch mit Raubbau an der Natur. Auf der anderen Seite besteht bei vielen Menschen der Wunsch nach einem Ausgleich, nach Ruhe und Erholung in der Natur. Natur erleben erfreut sich wachsender Beliebtheit. 

 

In den Agrarlandschaften der Wetterau gibt es leider nur Verlierer. Durch den massiven Verlust an Insekten verschwindet die Nahrungsgrundlage dieser Vögel. Als Hauptverursacher des Insektensterbens gilt die intensive Landwirtschaft, die in erheblichem Maße Pestizide ausbringt, Gewässer durch Nährstoffeintrag eutrophiert und zu wenig Brachflächen bereithält. 

 

Mehrere Studien belegen einen Rückgang der Insekten um 70 bis 80%, Bienen sterben und stehen für die Bestäubung nicht mehr zur Verfügung. Die neue Rote Liste der Vögel in Deutschland von 2017 belegt einen rasanten Schwund vieler Vogelarten. Die Artenvielfalt ist bedroht. Was aber sind die Gründe? 

 

Die industrialisierte Landwirtschaft ist eines der großen Probleme unserer Zeit. Mit dem Einsatz hochgiftiger Pestizide ist sie mit verantwortlich für das dramatische Insektensterben. 

 

Durch den Nahrungsmangel an Insekten und Brutraumverlust ist ein deutlicher Bestandsrückgang bei den Vögeln der Agrarlandschaft zu beobachten. In besonderem Maße betroffen hiervon sind Stieglitz, Goldammer, Feldlerche, Braunkehlchen, Schwarzkehlchen, Girlitz,  sowie Rebhuhn und Wachtel um nur einige zu nennen.

 

Auf der anderen Seite wird der Landwirtschaft buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen. Täglich verschwinden fast 4 Hektar in Hessen unter Asphalt und Beton. Das passiert Jahr für Jahr. Seit Jahrzehnten. In der Wetterau ist das nicht anders. 2400 Hektar landwirtschaftliche Fläche wurden in den letzten 15 Jahren versiegelt. Das sind 160 Fußballplätze pro Jahr. Alle wollen Nahrungsmittel aus der Region aber wenn das so weitergeht kann die regionale Landwirtschaft dies nicht leisten und gefährdet ihre Existenz.  

 

Die Auenschutzgebiete der Wetterau beherbergen auch seltene Brutvögel. Für viele durchziehende Vogelarten in Frühling und Herbst sind diese Gebiete besonders interessant wegen den Überschwemmungen während der Zugzeit. Die Anlage verschiedener Wasserflächen wie Grabentaschen, Flutmulden und Nahrungsteiche durch die Naturschutzbehörden führte auch zur Verbesserung des Brutbestandes beim Weißstorch, der von 1977 bis 1979 im Wetteraukreis nur mit einem Brutpaar in Lindheim präsent war. Von 1980 bis 1992 war der Weißstorch im Wetteraukreis ausgestorben. Danach verbesserte sich die Situation des Weißstorches kontinuierlich. Heute nisten wieder über 100 Brutpaare im Kreis. 

 

Damit kommen wir auch schon zum größten Gewinner im Wetteraukreis, dem Weißstorch. Gemäß einer Erhebung über den Bestand des Weißstorches von 1893 bis 2003, die Manfred Vogt bei Naturschutzbehörden, den Wetterauer Kommunen und Pfarrarchiven durchgeführt habe, lag das Maximum des Bestandes 1904 bei 56 Brutpaaren. Danach nahmen die Brutpaare kontinuierlich ab, bis die Art in den 80er Jahren im Wetteraukreis komplett ausgestorben war. Die Gründe hierfür waren in erster Linie die Kultivierung von feuchten Wiesengründen zu trockenen Grasfluren, Störungen an den Neststandorten durch Baumaßnahmen auf den Dächern, wachsende Wohnsiedlungen und Industrieanlagen, die Ausdehnung von Verkehrswegen und Freileitungen, sowie Verluste im Winterquartier. 

 

Die Verbesserung der Bestandsentwicklung beim Weißstorch auf heute 101 Brutpaare brachten in der Tat die Anlage von vielfältigen Nahrungsteichen in den Naturschutzgebieten des Kreises und die zur Verfügung Stellung von geeigneten Horststandorten in den Auen.     

 

Weitere Gewinner in den Auen sind der Graureiher – der mit den Bodenprädatoren kein Problem hat - und der Silberreiher, eine südliche Vogelart, den man in immer größerer Anzahl in den Auen beobachten kann. Auch die Graugans kommt weiterhin gut zurecht in unseren Auen mit ausreichenden Nachkommen, die zum Teil an die Prädatoren verloren gehen. Ein Problemvogel ist die Nilgans, die sehr aggressiv ihre Brut verteidigt und andere Vogelarten vertreibt. Auch sie ist eine Neozoen, eine eingebürgerte Art, für die unsere Biotope nicht eingerichtet sind. 

 

Leider gibt es auch Verlierer in unseren Auen. In erster Linie betrifft es den Großen Brachvogel, ein Watvogel, der im Wetteraukreis nur noch hier in Lindheim mit einem Paar brütet. In den 80er Jahren brüteten noch 7-8 Paare in Lindheim und weitere in 3-5 Paare im Bingenheimer Ried. Der Grund für den Rückgang der Art ist in erster Linie bei den Prädatoren > Wildschwein, Fuchs und Waschbär <  zu suchen. Bodenbrütende Arten haben hier keine Chance. 

 

Ähnliche Probleme haben auch die bodenbrütenden Arten Kiebitz und Bekassine. Obwohl der Kiebitz seine Brut gegenüber Feinden in der Luft sehr aggressiv und erfolgreich verteidigt, hat er am Boden keine Chance. Diese Arten haben um 70% abgenommen. Im letzten Jahr wurde speziell für den Kiebitz ein Hilfsprogramm im Wetteraukreis gestartet, das beispielgebend für ganz Hessen war. Der Brutraum des Kiebitzes wurde mit einem Elektrozaun gesichert. Das führte dazu dass alle 30 Brutpaare in diesem Areal erfolgreich ihre Jungen aufziehen konnten. Mehrere Landkreise im Süden von Hessen folgen nun diesem Beispiel um den Bestand des Kiebitzes zu sichern.

 

Bei den Singvögeln ist unter den Verlierern insbesondere der Wiesenpieper, der komplett aus unseren Auen verschwunden ist. Bei dieser Art ist sicherlich Nahrungsmangel eine der Hauptursachen. 

 

Die heutige Verteilung von Wald, landwirtschaftlichen Nutzflächen und Siedlungen ist über Jahrhunderte hinweg das Ergebnis menschlichen Handelns. Der verbliebene Wald ist daher kein unberührter Urwald mehr. Er ist eine Kulturlandschaft - ein von Menschen geprägter Wirtschaftswald. 

 

Der Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume und mehr als ein reiner Rohstofflieferant: Er ist ein vielfältiger Lebensraum. Dort wachsen Bäume und Sträucher, Pilze und Flechten. Neben dem Wild und der Vogelwelt leben noch viele andere Tiere im Wald. Diese Vielfalt wollen wir bewahren. 

 

Daneben ist der Wald ein Ort, an dem wir unsere Freizeit verbringen und uns erholen. Der Wald bietet Raum für vielerlei Aktivitäten und Ansprüche – und das zu jeder Jahreszeit. Immer mehr Menschen halten sich in ihrer Freizeit im Wald auf. Allerdings sind damit Risiken für die Lebewesen im Wald verbunden, die es zu verringern gilt. Zudem treten Nutzungskonflikte auf, die gelöst werden müssen. 

 

Mit all dem keine Probleme hat der Kolkrabe, der in stetig steigender Zahl in unseren Wäldern brütet. Er ist ein Opportunist und kommt seit einigen Jahren in unseren Wäldern gut zurecht. 

 

Bei den Vogelarten, die für Ihre Brut eine Baumhöhle benötigen sieht das allerdings anders aus. Der Todholzanteil nimmt in unseren Wäldern immer mehr ab. Somit schwinden die Brutmöglichkeiten für den Waldkauz, den Schwarzspecht und den Mittelspecht, der insbesondere auf Eichenwälder angewiesen ist. 

 

Für den Waldkauz sind alte Gehölze mit Höhlen in seinem Lebensraum von hoher Wichtigkeit. Der Waldkauz lebt nicht nur im Wald – längst hat er auch Siedlungen erobert und findet hier oft günstige Lebensbedingungen in Scheunen, Ruinen und vor allem in alten Höhlenbäumen, in denen der Waldkauz brütet. Sie stehen auf Friedhöfen, in Parks, sogar an Straßen und der Waldkauz hat sich längst an die Nähe des Menschen gewöhnt. Der für die Arterhaltung entscheidende Bruterfolg hängt jedoch vor allem von der Qualität des Lebensraums ab. Das Fällen alter Höhlenbäume, eintönige Wälder und ausgeräumte Agrarlandschaften ohne Nahrung und der zunehmende Straßenverkehr sind die größten Gefahren für den Waldkauz. 

 

Bei den Singvögeln ist insbesondere beim Pirol und beim Trauerschnäpper ein Bestandsrückgang zu beobachten. Die Gründe hierfür können auch bei den Prädatoren – insbesondere beim Waschbär – liegen, die in der Lage sind bis in die höchsten Gipfel der Bäume zu klettern wo der Pirol hauptsächlich brütet. 

 

Früher gab es bei den Kommunen aktive Lebensräume für verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Streuobstflächen umgrenzten die Ortschaften als prägender Bestandteil der Kulturlandschaft, verbesserte die Naherholung und das Kleinklima. Grünflächen wurden extensiv genutzt mit einer hohen Artenvielfalt an Blüten und Insekten. Dies ist Vergangenheit. Viele dieser Flächen sind heute überbaut und ökologisch nicht mehr nutzbar. Daraus resultieren auch die Probleme der Vogelwelt in den Streuobstgebieten. 

 

Ein Bewohner der Streuobstgebiete ist der Steinkauz. Er ist eine unserer kleinsten Eulen. Sein Lebensraum sind offene, mit Baumreihen und Feldgehölzen durchsetzte Kulturlandschaften, die mit einem ausreichenden Angebot an geräumigen Bruthöhlen und Tageseinständen ausgestattet sind. Als Jagdgebiet benötigt er nicht zu intensiv bewirtschaftete Flächen mit ganzjährig kurzer Vegetation. Leider gehen die Steinkauzbestände stetig abwärts, da die Lebensraumgrundlage nicht mehr ausreichend gegeben ist. Bis zu 80 % der Rückgänge in Deutschland gehen auf das Konto neuer Baugebiete. Aufgrund der häufig fehlenden Brutmöglichkeiten, wurden in den letzten Jahren an vielen Stellen Niströhren aufgehängt. Mit großem Erfolg kann man so den Steinkauz in geeigneten Revieren halten. In Limeshain wurden von der  NABU-Gruppe 84 Niströhren für den Kauz installiert. Zu geeigneten Revieren gehören im optimalsten Fall beweidete Wiesen, auf denen es immer genügend Nahrung für den kleinen Kauz gibt. Leider nehmen die ortsnahen Weiden immer mehr ab. Höhlenreiche Bäume, wie Kopfweiden und Hochstammbäume runden den optimalen Lebensraum ab. 

 

Sogar der Star, vormals in riesigen Schwärmen zu beobachten, erlebt einen erheblichen Bestandsrückgang. Auch hier spielt die Nahrung eine Rolle aber auch der fehlende Brutraum macht diesem Vogel zu schaffen, weshalb sein Bestand abnimmt. Alte Bäume mit Bruthöhlen werden in den Streuobstbeständen entfernt und die Anzahl der Insekten ist dramatisch zurückgegangen. 

 

Als Singvogel hat es auch der Gartenrotschwanz schwer aufgrund der schwindenden Nahrung seine Nachkommen großzuziehen. Zumindest bei der Wohnraumbeschaffung können wir dem Gartenrotschwanz und dem Star mit Nistkästen helfen. 

 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass noch viel zu tun bleibt um die  Biologische Vielfalt der Lebewesen und Lebensräume zu erhalten, die auch Biodiversität genannt wird, die Voraussetzung für eine gesunde und natürliche Entwicklung aller Lebensformen, unser natürliches Erbe, welches wir zukünftigen Generationen als Vermächtnis hinterlassen wollen und wofür wir als Gesellschaft eine ethische und moralische Verantwortung tragen.

 

Warten wir nicht länger - Packen wir´s an!